Ein Werk schreibt Geschichte
Impression, Sunrise von Claude Monet berührt den heutigen Betrachter unmittelbar. Doch wie sah es bei der ersten Ausstellung des berühmten Werkes 1874 in Paris aus? Das Bild wurde als Affront gegen den herrschenden Zeitgeist realistischer, detailgetreuer Werke angesehen. Der schnelle Pinselstrich und die verwischten Konturen irritierten Ausstellungsbesucher und Kritiker. Offensichtlich ging es um nicht gegenständliche, sondern gefühlsbestimmte Umsetzung von Le Havre bei Sonnenaufgang. Monet hatte selbst sein Werk "Impression" (Eindruck) genannt. Ein Titel, der von einem Kritiker abfällig zur Strömung des "Impressionismus" ausgeweitet wurde. Tatsächlich hatte der Maler genau das im Sinn: seine Empfindungen auf der Leinwand auszudrücken. Die fotorealistische Wirklichkeit war ihm unwichtig. Monet interessierten andere Fragen: Welche Wirkung hat Wasser im Wechselspiel mit der untergehenden Sonne? Wie lassen sich Farben zerlegen? Welche Rolle spielt überhaupt Licht?
Sujet und Umsetzung
Was ist auf dem Gemälde zu sehen? Auffallend ist, dass nur die Sonne und ein Fischerboot klar erkennbar sind. Der glühend rote Sonnenball in der oberen Bildmitte, der sich auf dem Wasser in unzähligen Reflexen bricht, fällt ebenso ins Auge wie das zentriert gesetzte Fischerboot im unteren Bilddrittel mit einer stehenden Figur, die den grandiosen Sonnenaufgang selbstvergessen zu betrachten scheint. Erst auf den zweiten Blick erkennt der Betrachter weitere Details: andere Fischerboote und Maste von Segelbooten, Fabrikschlote, deren Rauch in den Himmel zieht und Kräne am Hafen von Le Havre. Von suggestiver Kraft ist das Wasser, dessen bewegte Oberfläche ins Bildgeschehen förmlich hineinzieht. Markant sind die schnellen, teils kurzen Pinselstriche. Dabei dominieren die satten Orangetöne der Sonne, die sich auf der Wasseroberfläche brechen und die dunkel gemalten Wellen im Bildvordergrund. Die ganze Szenerie scheint in Aufruhr, in Bewegung zu sein: die Wasseroberfläche, der Rauch der Fabrikschlote und nicht zuletzt der Morgenhimmel mit seinen betörenden Farben. Während auf den ersten Blick Wasser, Boote und Sonne die Hauptrolle spielen, bemerkt man beim zweiten Hinsehen, dass der Himmel von Claude Monet als kraftvoller Gegenspieler gestaltet wurde: Wie ein Himmelszelt spannt sich der Morgenhimmel über die Bucht von Le Havre. Lila-, Rosa-, Rot- und Orangetöne des Himmels lassen auf der Wasseroberfläche ein betörendes Schauspiel entstehen, das von der Lichtstraße der Sonne noch zusätzlich akzentuiert wird.
Claude Monet: Maler von Wasser und Licht
Die Originale und Kunstdrucke "Impression, Sunrise", "Seerosen", "Der Herzogspalast in Venedig", "Wasserlilien" und "
La Corniche in der Nähe von Monaco" beweisen: Mit seinen unzähligen Reflexen war Wasser für Claude Monet eines der wichtigsten Motive. Es sind Himmel, Landschaft, Gebäude und Hafen, die mit dem Wasser in Wechselwirkung treten. Licht- und Schattenspiele, das Gefühl bei Wind, unterschiedliche Farbtöne zu verschiedenen Tageszeiten: All das wollte der Maler wie intuitiv auf die Leinwand bannen. Deswegen hat er viele Werke vor Ort gemalt.
Bemerkenswerter Pinselstrich
Monet malte den Hafen seiner Heimatstadt als abstrakte Formen, nur Sonne und Fischerboot sind klar umrissen. Der Pinselstrich ist schnell. So scheint das Gemälde spontan in den Minuten des Sonnenaufgangs entstanden zu sein. Auch deswegen antwortete der Künstler vor der Pariser Ausstellung auf die Frage, wie er sein Bild nennen wolle: "Da ich das Bild schlecht 'Ansicht von Le Havre' nennen konnte, sagte ich: 'Nennen Sie es Impression'." Monet hat zwischen 1868 und 1874 sechs Ansichten von Le Havre gemalt. Er malte bei Sonnenaufgang, am Mittag, am Nachmittag und bei einbrechender Dunkelheit. Dabei wechselte der Maler auch seine Standorte: Einige Bilder entstanden am Ufer, andere auf dem Wasser oder im Hotelzimmer. Am berühmtesten ist jedoch Impression, Sunrise mit seiner Leuchtkraft von Himmel, Sonne und Wasseroberfläche. Im Spiel des farbigen Lichts auf der vom Wind bewegten Wasseroberfläche stellt Monet erstmals visuelle Phänomene und atmosphärische Veränderungen der Szenerie mittels kontrastreicher, lebhafter Farben und eines fast skizzenhaften Pinselstrichs dar.
Impression, Sunrise: Wirkung und Einflüsse
Monets Malerei hat unzählige zeitgenössische Malerfreunde und Künstler der Moderne wie Andy Warhol und Mark Rothko inspiriert und beeinflusst. Doch welche Maler beeinflussten Monets Malstil? Der Engländer
William Turner (1775 bis 1851) mit seinen teils dramatischen Seebildern und nebelhaften Szenerien begeisterte Monet zunächst sehr. In "
Landschaft mit Wasser" und "
Regen-Dampf und Geschwindigkeit" zeigt sich, dass Turner als Maler der Romantik zum Wegbereiter des Impressionismus wurde. Entscheidenden Einfluss auf Monet hatte auch der Landschaftsmaler
Eugene Louis Boudin, den er in Le Havre kennenlernte und der ihm die Freilichtmalerei nahebrachte.
Impression, Sonnenaufgang Detailausschnitt
An der Académie Suisse traf Monet 1859
Camille Pissarro, einen Wegbegleiter und engen Freund, der als Grafiker und Maler an allen Impressionisten-Ausstellungen beteiligt war. Pissaro setzte – anders als Monet – in "
Landschaft bei Pontoise" oder "L'Hermitage" nicht auf Wasser, sondern auf das Licht- und Schattenspiel zwischen Himmel und Erde.
Pierre-Auguste Renoir und
Alfred Sisley waren Freunde und Mitschüler aus den Studientagen bei
Charles Gleyre. "Die Seine bei Chambrosay" von Renoir und Sisleys "Seine bei Port Marly" beweisen auch als Kunstdruck, wie wichtig den Malerfreunden die Auseinandersetzung mit Licht und Schatten, Erde, Wasser und Himmel war. Die Zerlegung der Farben in unterschiedliche Töne und Facetten spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Revolutionär der Farben
Der belgische Maler André Masson (1896 bis 1987) sagte über Monet: "Man kann wohl nicht Maler sein, ohne Monet zu lieben... Monet hat mich verstehen gelehrt, was eine Revolution in der Malerei sein kann. Erst mit Monet...nimmt die Malerei eine andere Wendung...er bringt die bloße Vorstellung von Form, wie sie uns seit Jahrtausenden beherrschte, zum Verschwinden." Mit Claude Monet und seinen impressionistischen Bildern wird Farbe lyrisch. Betrachtet man die Bilder Monets, taucht man in ein Meer von Farben ein, fühlt, sieht und spürt die Stimmung, aus der heraus der Künstler sein Werk geschaffen hat. Impression, Sunrise wirkt deswegen auch heutzutage modern und zeitgemäß. Ob als Kunstdruck oder als Original im Musée Marmottan Monet in Paris: Das Bild besticht durch seine Unmittelbarkeit und mit dem Glanz und Feuerwerk der Blau-, Grün-, Rosa-, Rot- und Orange-Töne.
Der Historiker Paul Tucker nimmt an, dass Impression, Sunrise als Anspielung auf das nach dem Deutsch-Französischen Krieg (1870 bis 1871) erstarkte Frankreich zu sehen ist. Monet habe die kommerziellen Möglichkeiten bei diesem Bildsujet gesehen und mit ihm eine Antwort auf den patriotischen Ruf seiner Zeit gegeben. Andere Wissenschaftler gehen davon aus, dass Monet mit dem Titel Impression, Sunrise die Antwort auf den Vorwurf, er male zu unrealistisch, vorwegnehmen wollte. Fakt ist: Die sechs Hafenansichten zu unterschiedlichen Tageszeiten belegen seine Faszination, Licht und Bewegung ins Bild zu setzen und eine fühlbare Atmosphäre zu schaffen.
Faszination Licht
Die über die Zeit hinaus geltende Wirkung des Ölgemäldes ist unbestritten. Das radikal Neue ist: Die Form weicht der Farbe, Gefühl und Atmosphäre ersetzen pures realistisches Sehen. Dr. Margaret Livingstone, Neurobiologin in Harvard, stellt heraus: Das Leuchten des Himmels, der nach wissenschaftlichen Untersuchungen ebenso hell ist wie die ins Auge fallende kreisrunde Sonne, wird vom Betrachter anders wahrgenommen. Doch gerade diese unbewusste Wahrnehmung des hellen, in unendliche Farbabstufungen zerlegten Himmels, verleiht dem Gemälde seine realistische Qualität. So bleibt auch heutzutage Impression, Sunrise ein lebendiges Werk von herausragender künstlerischer Qualität. Ein Werk, das man immer wieder gerne in hochwertiger Ausführung als Kunstdruck betrachtet.
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